Inhalt:
"Warum nur haben wir solche Angst vor dem Sterben, wo es doch Milliarden vor uns auch schon getan haben? Also setzen wir uns einmal damit auseinander. Ein bisschen so, wie man das vor einer Geburt ja auch tut. Leicht wird der Umgang mit diesem Thema sicher nie. Aber vielleicht leichter, wenn es Zeit für eine Art Vorbereitung gibt."
Meine Meinung:
Ich war vor paar Monaten in Thun an einer Buch-Vorlesung. An dieser haben die Autoren Steffen Eychmüller (Professor für Palliativmedizin) und Sibylle Felber (wirkt in der nationalen Strategie Palliative Care mit) ihr Buch Das Lebensende und ich (Anregungen für einen leichteren Umgang mit der Endlichkeit) vorgestellt. Es war ein spannender und informativer Abend. Das Thema Tod ist in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabuthema. Der Vergleich, sich ähnlich wie vor einer Geburt damit zu befassen, zu organisieren, zu planen und sich zu informieren, ist eine gute Idee.
Denn – wer weiss denn schon, wie z.B. die eigenen Eltern mit dem Thema umgehen? Oder was sich diese wünschen? Wie deren Beerdigung aussehen soll? In meinem Fall kann ich annehmen, dass mein Vater Vorkehrungen getroffen hat. Darüber gesprochen wird aber nicht. Man sei ja gesund und befasse sich damit nicht, auch wenn viele der eigenen Freude in seinem Alter bereits wegsterben. Meine andere Hälfte (Mutter), spricht hingegen gar nicht über solche Dinge. Da weiss ich auch praktisch nichts. Wenn also etwas passiert, kann Druck für die Angehörigen entstehen. Und es gibt in den besten Familien Konflikte und Streitigkeiten.
Das sehe ich in meinem Beruf als Dipl. Pflegefachmann genug. Auch dass sich Angehörige nicht einig sind, wenn es um das Thema sterben geht. Dass Angehörige unrealistische Ängste haben. Oder verschlimmbessern, weil sie nicht Bescheid wissen und nur helfen wollen. Oder dass Angehörige untereinander Konflikte haben. Und da zu wenig qualifiziertes Personal (zumindest in der Langzeitpflege), welches mit den Angehörigen darüber professionell sprechen könnte. Informieren kann. Ängste nehmen kann. Deshalb ist der Dialog und/oder auch eine Patientenverfügung sinnvoll.
Für mich als Profi bringt Das Lebensende und ich nichts Neues. Aber es ist definitiv eine gelungene Lektüre für Betroffene. Damit meine ich Menschen, die am Sterben sind, Menschen, die chronische Krankheiten haben, Menschen, die vor kurzem jemanden verloren haben oder Menschen, welche z.B. ihre Eltern mit dem Thema sensibilisieren wollen. Ich werde das auch planen: mit den Eltern zusammensitzen, ihnen das Buch schenken und darüber sprechen. Es zumindest versuchen. Mehr kann ich als Kind nicht tun.
So wie das Buch keine Seitenanzahl hat, so gibt es kein Inhaltsverzeichnis. Das Buch bringt Erfahrungen, evidenzbasierte Fakten und Studien-Auswertungen zusammen. Es gibt Bereiche wie "Die Angst vor dem Leiden", "Die Zeit vor dem Sterben" oder "Und was kommt nach dem Sterben?". Das Buch gibt für Laien einfach erklärt wieder, was Sache ist. Warum Morphin nicht schädlich ist, warum es teilweise ungeeignet ist, sterbende Menschen noch mit Nahrung und Flüssigkeit vollzupumpen, um was es sich beim Todesrasseln handelt, was genau beim Sterben passiert etc.
Das Buch nimmt den Leser auch in eine aktive Rolle. Es gibt mehrere Seiten, wo Gedanken notiert werden können. Wo Fragen gestellt werden (was würdest du tun, wenn du wüsstest, dass du morgen sterben würdest? Wen willst du an der Beerdigung sehen, wen nicht?). Das ist gut so, damit man sich individuell damit befassen kann. Was ich vermisst habe, waren die Sterbe- und Trauerphasen. Die kamen nicht zu Wort. Selbst die Erkenntnis, dass es diese Phasen gibt, könnte helfen. Was mir persönlich nicht gefiel, waren die Filmempfehlungen, die es praktisch auf jeder Seite gibt. Ich mag keine klischeehaften, zu dramatischen (Hollywood)-Filme zu dem Thema Sterben. Ich tue den Autoren jetzt aber auch unrecht, da auch Dokumentationen zu dem Thema empfohlen werden und ich mir die Filmtitel auch gar nicht wirklich angeschaut habe. Teilweise gibt es auch hilfreiche Links.
Wer sich oder andere zum Thema Sterben sensibilisieren möchte, sei nebst Über das Sterben von Gian Domenico Borasio auch dieses Buch sehr zu empfehlen!
Infos:
In Deutschland erschienen: Ja
Sprache: Deutsch
Verlag: Stämpfli
Anzahl Seiten: Hat keine offizielle Seitenanzahl
Roman/Sachbuch: Sachbuch
Art: Taschenbuch
Autor: Steffen Eychmüller, Sibylle Felber
Erschienen: April 2022